Das Gespräch mit dem Arzt oder der Ärztin des Vertrauens ist im Leben mit MS von zentraler Bedeutung. Neurologin Dr. Hauer arbeitet in ihrem MS–Zentrum in Melk schon seit über 20 Jahren mit MS-PatientInnen und weiß, was für eine gute Zusammenarbeit wichtig ist. Im Video-Gespräch klärt sie häufige Fragen und gibt Tipps. 

Perfect match – den passenden Arzt des Vertrauens finden

Das ist der erste und wichtigste Schritt, so die Neurologin. Sie rät Betroffenen, die Internetseite der Gesellschaft für Neurologie (ÖGN) zu besuchen – dort finden Sie eine Liste sämtlicher MS-Zentren. „Diese Ärzte sind MS-Spezialisten, die zertifiziert sind. Das heißt, sie müssen sich dafür qualifizieren und regelmäßig Fortbildungen machen, damit sie am aktuellen Stand sind.“

Für PatientInnen ist es besonders wichtig, sich einen Arzt zu suchen, mit dem sie gut können – wo sie das Gefühl haben, sie sind gut aufgehoben, er ist fachkundig und betreut sie gut, ist Dr. Hauer überzeugt. Wenn das nicht zutrifft oder die Chemie nicht stimmt, ist es dringend anzuraten, einen anderen Experten oder eine Expertin aufzusuchen. 

Eine langfristige Beziehung

Suchen Sie sich möglichst einen Neurologen/eine Neurologin, mit dem/der Sie sich eine langfristige Zusammenarbeit vorstellen können. Denn gerade bei der MS, die so individuell verläuft, ist das ein großer Vorteil. Erst mit der Zeit wächst man zusammen und stellt sich aufeinander ein. Als Arzt kann man dann viel individueller auf den Patienten/die Patientin eingehen. Oft ist es eine jahrelange Beziehung. „Und genau das ist für mich als Ärztin das Schöne: dass man die Betroffenen ein Leben lang begleitet. Weil so kenne ich ihn oder sie gut und habe schon sehr viele Informationen. Wenn der Patient zu mir kommt, weiß ich quasi schon, wenn er bei der Türe reinkommt, wie es ihm geht“, so die Neurologin. 

Für Betroffene Nina Schrott ist es bei ihrem Arzt besonders wichtig, dass sie das Gefühl hat, dass alle Symptome ernst genommen werden – auch die weniger sichtbaren: „Etwa, dass ich oft müde bin oder dass die rechte Hand manchmal streikt – dass solche kleineren Sachen ernst genommen werden, auch wenn es jetzt vielleicht keine bleibenden Einschränkungen sind. Und dass man sich auch sicher sein darf, dass man in seinem Arzt oder seiner Ärztin einen Ansprechpartner hat, der bei hidden MS-Symptomen da ist und hilfreiche Tipps geben kann.“

Wissen gibt Sicherheit – sachliche Informationen statt Dr. Google

„Das Nächste, was ich immer all meinen Patienten empfehle, die frisch diagnostiziert sind, ist, dass sie möglichst viel bei der ÖMSB, der österreichischen MS-Bibliothek der ÖGN, nachlesen, die jetzt online verfügbar ist.“ Dort kann man sich sachliche Informationen holen, so die Fachärztin. Denn es ist immer hilfreich, sich selbst gut über die MS zu informieren.

Wie regelmäßig muss ich zum Arzt?

Natürlich ist das ganz individuell und hängt zum einen davon ab, in welcher Phase des Krankheitsverlaufs der oder die Betroffene gerade steht und zum anderen, wie aktiv die MS jeweils ist. Neu diagnostizierte PatientInnen brauchen einfach wesentlich mehr Zeit, weiß Dr. Hauer. „Da muss man erst einmal das ganze gedankliche Chaos frisch nach der Diagnose ordnen. Für die Betroffenen fällt gerade eine Welt zusammen und sie sind in der Situation nicht fähig, sofort viele Informationen aufzunehmen. Das muss man Stück für Stück machen.“ Dies erfordert viel Einfühlungsvermögen und Geduld vonseiten des Arztes. 

Deshalb bestellt die Neurologin PatientInnen zu Beginn öfters in die Ordination, etwa 14-tägig oder monatlich. Weil gerade in der Anfangsphase immer wieder neue Themen und neue Fragen auftauchen, Therapieentscheidungen zu treffen sind und man die Betroffenen auch klinisch engmaschig beobachten möchte: „Wie hat er oder sie auf die Medikamente angesprochen, wie viel psychische und psychiatrische Begleitung wird in der Frühphase benötigt? Wenn man dann das Setting geklärt hat, das frühe Therapiemonitoring sowie die Therapieeinstellung geschafft sind und der Patient auch ungefähr weiß, wo er steht, dann können die Termine in größeren Abständen stattfinden.“

Das offene Gespräch – reden ist Gold

Dr. Hauer ermutigt ihre PatientInnen: „Sie sollen mir einfach alles erzählen, was sie im Alltag beeinträchtigt oder was für sie ein Thema ist. Denn es gibt da keine Standardpunkte  – wir wissen ja, die MS ist extrem individuell  – bei jedem gibt es unterschiedliche Symptome und jeder reagiert anders. Daher gibt es immer ganz individuelle Themen zu besprechen.“ Als behandelnder Arzt oder Ärztin ist man deshalb auf die Informationen der PatientInnen angewiesen, um ihnen bestmöglich helfen zu können. Die Expertin betont, dass es viel besser sei, für das Einordnen der Symptome, einen Arzt des Vertrauens zurate zu ziehen, als es auf eigene Faust im Internet zu versuchen. Denn das bringe oft nur Angst und unnötige Probleme. 

„Als Ärztin spreche ich mit den Betroffenen daher genauso über sexuelle Probleme wie über kognitive Schwierigkeiten oder eine unklare Schubsymptomatik. Man muss das einfach erörtern und erst dann kann man die Dinge einordnen und darauf reagieren. Generell betrachtet man bei jeder Krankheitsphase andere Themen, die gerade im Vordergrund stehen. Das muss man wissen und hat dann als Arzt Anhaltspunkte, um genauer nachzufragen“, so Dr. Hauer.

Vorbereitet zum Termin kommen

„Ich gebe meinen PatientInnen zum Teil auch die ‚Aufgabe‘, sich alles, was ihnen so auffällt oder sie beschäftigt, bis zum nächsten Termin aufzuschreiben.“ Denn aus Erfahrung weiß die Neurologin, dass manche Dinge im Alltag leicht untergehen. Mit schriftlichen Notizen fällt es beim nächsten Arztgespräch dann leichter, trotz Eile oder Nervosität nichts zu vergessen und man kann die Punkte gemeinsam systematisch besprechen. So bleiben keine Fragen offen und Sie gehen nach dem Termin mit einem guten Gefühl nach Hause. 

Das gesamte Video-Gespräch von Neurologin Dr. Hauer mit der MS-Betroffenen Nina Schrott finden Sie hier.

M-AT-00002290| Titelbild: ©bnenin/Adobe Stock

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