Mit Schmetterlingen im Bauch das Leben zu zweit bestreiten – das wünschen sich viele. Die MS kann jedoch in einer Partnerschaft besondere Herausforderungen schaffen. Trotzdem ist eine erfüllte Partnerschaft auch mit MS möglich. Was dafür besonders wichtig ist, erfahren Sie hier.
Nina und Schirin erhielten beide in jungen Jahren die Diagnose MS. Im Interview haben sie mit uns ganz offen über das Thema Partnerschaft gesprochen.
Dabei kamen einige Parallelen zum Vorschein: Die Beziehungen, die beide zum Zeitpunkt der Diagnose hatten, zerbrachen, weil ihre damaligen Partner sie zu sehr über die Erkrankung definierten und so eher eine Last als eine Stütze waren. Im Nachhinein sehen Nina und Schirin die Trennung jedoch positiv. Denn so konnten sie ihre heutigen Partner kennenlernen, die sie stark unterstützen und mit denen sie sehr glücklich sind. In diesem Artikel erfahren Sie, was ihrer Erfahrung nach entscheidend ist, damit eine Partnerschaft mit MS gelingt.
Bin ich noch sexy?
Das Wissen, dass man an MS erkrankt ist, kann schon mal am eigenen Körperbild und Selbstwertgefühl kratzen. Das hat auch Nina festgestellt: „Die Herausforderung, mit der ich im Beziehungskontext am meisten zu kämpfen habe, ist folgender Gedanke: Behinderungen – egal ob körperliche oder geistige Einschränkungen – sind prinzipiell nicht attraktiv und eine chronische Erkrankung ist nicht sexy. Ich denke, das sind Dinge, die man sich prinzipiell eher nicht von einem Partner wünscht. Da ist es für mich manchmal ganz schwierig, dass ich mich nicht nur als MS Betroffene sehe, sondern auch als Partnerin oder Freundin.“ Wenn diese Unsicherheiten stärker aufkommen, hilft es Nina, mit ihrem Partner darüber zu sprechen.
An der Selbstliebe arbeiten
Auch Schirin musste sich bemühen, sich selbst und ihrem Körper wieder Liebe entgegenzubringen: „Ich lernte zu erkennen – ok du bist krank, du hast eine Gehbehinderung, du entsprichst vielleicht nicht dem gängigen Schönheitsideal, aber dein Körper hat schon so viel verkraftet, so viel geleistet – mit der Krankheit, vor der Krankheit – das muss man ihm anrechnen. Das habe ich so lange geübt, bis ich es wirklich geglaubt und die Krankheit als einen Teil von mir akzeptiert habe.“
Machen Sie sich also immer wieder Ihren eigenen Wert bewusst. Dabei ist es ganz wichtig, dass Sie sich nicht nur über die Erkrankung definieren – denn Sie sind ja noch so viel mehr als die MS.
Es dreht sich nicht alles nur um die MS
„Wir sind erkrankt, aber die Erkrankung definiert uns nicht. Ein Mensch mag dich oder mag dich nicht. Und zwar nicht weil du krank bist – er mag dich wegen deiner Persönlichkeit, deiner Ausstrahlung, wie liebenswert und wie empathisch du bist“, bringt es Schirin auf den Punkt.
„Man muss den Balanceakt schaffen zwischen: sich mal einfach den Symptomen hingeben und sich gehen lassen, aber dennoch erkennen – ich bin nicht nur krank, sondern ich bin auch noch in einer Beziehung und ich sollte mich nicht komplett nur der Erkrankung hingeben“, so Nina. Für sie ist also Folgendes ganz wichtig: „Die MS hat zwar Platz – ich habe sie als Teil von mir akzeptiert, aber sie muss nicht immer im Vordergrund sein, sondern kann auch mal zur Seite geschoben werden.“
Beidseitiges Verständnis
Ganz wichtig ist Nina und Schirin auch, dass man als PartnerIn Verständnis dafür hat, wenn Dinge nicht immer so funktionieren, wie geplant. Denn aufgrund der MS-Symptome kann es manchmal sein, dass Betroffene leiser treten müssen. „Man sollte darauf vorbereitet sein, dass man hin und wieder etwas, das man sich zu zweit vorgenommen hat, verschieben muss. Dann sollte man dem anderen kein schlechtes Gewissen machen, weil derjenige ärgert sich selbst am meisten darüber“, meint Nina.
Sich gegenseitig Freiheiten gönnen
Doch Verständnis ist auch von Seiten der Person mit MS gefragt. So ist es für Schirin auch wichtig, ihrem Partner genügend Freiheiten zu lassen: „Ich als erkrankte Person muss verstehen, dass wir gewisse Dinge nicht miteinander machen können. Mein Partner ist sehr sportlich und es ist für mich in Ordnung, dass er gewisse sportliche Aktivitäten mit seinem Bruder oder mit seinen Kollegen macht und nicht mit mir.“
Für Nina ist es ebenfalls bedeutsam, dass ihr Partner nicht automatisch ihretwegen seine Pläne abbrechen muss: „Wenn wir uns ausmachen, dass wir auf ein Fest gehen und ich dann nicht mitgehen kann, würde ich mir immer wünschen, dass mein Partner trotzdem hingeht und nicht wegen mir zu Hause bleibt.“ Denn Nina findet: „Es ist ganz wichtig, dass man dem anderen auch etwas gönnen kann.“
Der Schlüssel: Offene Kommunikation
„Natürlich ist Kommunikation extrem wichtig“, so Nina. „Vor allem wenn du erkrankt bist und dein Partner gesund ist. Weil er gewisse Dinge, die dich beeinträchtigen oder beschäftigen, vielleicht nicht so nachvollziehen kann“, weiß Schirin.
Dabei sei es besonders wichtig, Symptome offen anzusprechen und zu erklären, wenn man deshalb etwas Bestimmtes nicht tun kann oder möchte. So lassen sich Missverständnisse und Konflikte vermeiden. „Weil wenn ich den ganzen Tag auf der Couch hänge und mir geht es einfach total schlecht, kann ich ja nicht einfach erwarten, dass mir mein Partner hilft, ohne dass ich es anspreche. Denn er kann nicht meine Gedanken lesen“, so Nina.
Laut Nina sollte man dabei besonders darauf achten, klare Messages zu senden – zum Beispiel nach dem Schema: „Ich fühle mich so und so und ich würde mir das und das wünschen…“. Diese klare Kommunikation ist gerade bei der MS, wo auch häufig Symptome auftreten, die nach außen kaum sichtbar sind, wie zum Beispiel die Fatigue, besonders bedeutend.
Auch wenn sich die MS auf die Sexualität auswirkt, hilft es Schirin, das mit ihrem Partner zu besprechen: „Natürlich beeinträchtigt die MS sehr viel – auch manchmal die Libido. Wir können aber offen darüber reden und das nimmt mir dann den Druck aus der Situation.“
Klar über seine Bedürfnisse und Gefühle zu sprechen, ist gar nicht so einfach und gelingt oft nicht von heute auf morgen. Schirin meint: „Es war ein langer Weg, dass wir gelernt haben, so miteinander umzugehen, aber wir haben dabei voneinander gelernt.“ Seien Sie also geduldig mit sich und Ihrem Partner.
In diesem Sinne: Sehen Sie Ihre Beziehung wie eine gemeinsame Reise, auf der Sie beständig voneinander lernen und sich weiterentwickeln. Reden Sie offen miteinander, geben Sie der MS Raum, aber machen Sie sie nicht zum Mittelpunkt und versuchen Sie auch, sich selbst genug Liebe und Wertschätzung entgegenzubringen.
Was PartnerInnen für Ihre Liebsten mit MS tun können, um sie bestmöglich zu unterstützen, können Sie in den Artikeln Wunschliste an Angehörige Teil 1 & Teil 2 nachlesen.
M-AT-00002144| Titelbild: ©ikostudio/Adobe Stock