Der Kontakt zum Arzt oder der Ärztin des Vertrauens ist im Leben mit MS von zentraler Bedeutung. Wann man diese/n zusätzlich zu den Routine-Kontrollen konsultieren sollte, dazu geben Dr. Hauer, Neurologin des MS–Zentrums in Melk und Betroffene Nina im Video-Gespräch praktische Tipps.
Den eigenen Körper kennenlernen
Nina schildert aus eigener Erfahrung: „Man muss manchmal gewissermaßen selber draufkommen, was die Symptome auslöst. Bei mir sind das zum Beispiel extreme Hitze oder lustigerweise auch Hunger. Das kann manchmal zu einem Pseudoschub führen und bei Hunger funktioniert meine Koordination oder die Feinmotorik nicht mehr so gut.“ Auch die Neurologin Dr. Hauer weiß: „Als Betroffene/r kennt man mit der Zeit die eigenen Einschränkungen und Ausfälle.“
In diesem Zusammenhang erklärt Dr. Hauer weiter, dass unser Gehirn immer versucht, Ausfälle, so gut es geht, auszugleichen, indem andere Gehirnareale diese Funktionen übernehmen. Wenn dann aber zusätzliche Triggerfaktoren wie Müdigkeit, Stress, ein Infekt, Fieber, Hitze, extreme Kälte oder Unterzuckerung hinzukommen, dann gelingt das nicht mehr und ältere Symptome können wieder zum Vorschein kommen. Diese verschwinden dann aber wieder, wenn der Auslöser beseitigt wurde – also man beispielsweise genug geschlafen oder den Infekt auskuriert hat, beruhigt die Expertin.
Nehmen Sie sich daher Zeit, Ihren Körper kennenzulernen. So können Sie besser einschätzen, was Sie sich zutrauen können und wo Ihre Grenzen liegen.
Wann zusätzlich zum Arzt?
Neurologin Dr. Hauer rät: „Hellhörig sollte man dann werden, wenn eine Plussymptomatik auftritt – wenn etwas neu dazukommt oder anders ist. Also wenn es mehr ist, wenn es länger dauert oder wenn irgendetwas chronischer ist. In solchen Fällen bitte einfach Kontakt aufnehmen – dann ist es gut, das anzuschauen und sich untersuchen zu lassen.“
So handhabt das auch Betroffene Nina. Bei einem neuen Symptom wartet sie klassischerweise 24 bis 48 Stunden ab, bevor sie sich bei ihrem Arzt meldet, um zu erfahren, ob sie vorbeikommen soll. Auch wenn sich eine bestehende Einschränkung merklich verändert beziehungsweise über einen längeren Zeitraum verschlechtert, würde sie ihren Arzt kontaktieren.
Keine Angst – keep cool!
Zwar soll man einerseits in seinen Körper hineinhören, das aber andererseits nicht übertreiben, um keine übersteigerten Ängste zu entfachen. Hier gilt es, das gesunde Mittelmaß zu finden, so die Neurologin: „Man muss dazwischen wieder seinen ‘Coolheits-Knopf’ aktivieren, denn niemand braucht bei der Erkrankung zusätzlich innerlichen Stress oder Nervosität. Deswegen versuche ich schon auch, sehr bewusst zu deeskalieren und sage dann: ‘Bitte ganz cool bleiben. Ein Schub ist definiert durch eine neue Ausfallsymptomatik, die mindestens ein bis zwei Tage anhält. Ein Schub ist etwas, das ‘pickt’, das geht nicht weg, das merkt man. Das ist nicht, wenn es da mal kribbelt oder einem kurz schwindelig ist – diese kleinen Symptome hat auch ein gesunder Mensch, der unter Stress leidet.’“
Deshalb rät die Expertin, trotz allem gelassen zu bleiben. „Denn Angst ist bei MS ein schlechter Partner. Natürlich gelingt das nicht von heute auf morgen, sondern ist ein Prozess, aber mit der richtigen Unterstützung kann man als Betroffener dann gut mitsteuern“, mach Dr. Hauer Mut.
M-AT-00002414| Titelbild: © Mix and Match Studio/Adobe Stock