Wer mit körperlichen oder kognitiven Einschränkungen konfrontiert ist, muss sein Selbstbild neu definieren – sich seiner selbst erst wieder neu bewusst werden. Die Klinische Psychologin, Dr. Tesar-Pelz, verrät, wie es Ihnen leichter fällt, bestehende Einschränkungen zu akzeptieren und wieder zu einem guten Selbstbild zu finden.
Die Seele leidet mit
Eine chronische Erkrankung wie MS stellt für Betroffene auch eine psychische Herausforderung dar – oft schmerzt nicht nur der Körper, sondern auch die Seele und es kann zu Depressionen und Angststörungen kommen, die eine professionelle Behandlung erfordern. Mehr zum Thema Hidden MS und Angststörungen erfahren Sie in diesem Experten-Interview mit Dr. Tesar-Pelz.
Ob Scham, Angst, Wut oder Hilflosigkeit – belastende Gefühle wirken sich negativ auf den Körper aus. Das seelische Rüstzeug zur Krankheitsbewältigung ist meist (noch) nicht ausreichend vorhanden. Doch gerade jetzt wären innere Stärke, Stabilität und Umsicht für den Umgang mit der Krankheit besonders notwendig.
Den Teufelskreis durchbrechen, aber wie?
Ob man einen Weg finden kann, das Beste aus der Situation zu machen und sogar glücklich damit zu leben, hängt vor allem davon ab, wie Betroffene mit den neuen Anforderungen und den kognitiven Defiziten umgehen. Um mit der veränderten Lebenssituation bestmöglich zurechtzukommen, braucht es also Strategien.
Coping – Widrigkeiten bewältigen
Der Begriff Coping leitet sich aus dem Englischen „to cope with“ ab und bedeutet, jemandem oder etwas gewachsen sein, etwas bewältigen und damit umgehen können. Coping nimmt natürlich einen wichtigen Platz im Rahmen der psychologischen Behandlung ein, erklärt die Expertin. „Denn es gibt immer wieder Phasen, wo es den Betroffenen weniger gut geht und sie sich durch die kognitiven Defizite in ihrem normalen Tagesablauf eingeschränkt fühlen oder sie nicht mehr so arbeiten können wie früher. Dabei spielt die Akzeptanz der aktuellen Situation, aber natürlich auch das Selbstbild und die Selbstliebe eine wichtige Rolle.“ In diesem Artikel lesen Sie weitere Tipps rund um Coping und Selbstfürsorge.
Akzeptanz
Der erste und wichtigste Schritt lautet also: Akzeptieren Sie die Veränderungen. Die Krankheit und die damit verbundenen Defizite sind ein Teil von Ihnen, der sich nur bedingt kontrollieren lässt. Oftmals ist dies auch mit einer gewissen Trauer nach dem „alten Leben“ verbunden. Wem es gelingt, die neue Lebenssituation zu akzeptieren, der lernt viel besser, mit kognitiven und anderen Einschränkungen umzugehen. Tipps dazu, wie Sie mit Selfcare Ihr seelisches Gleichgewicht trotz MS wieder finden können, gibt Betroffene, Coach und Yogalehrerin Andrea in diesem Beitrag.
Körperbild und Leistungsschema
Dr. Tesar-Pelz erklärt: „Ob im Spital oder im niedergelassenen Bereich, die Themen Körperbild und das vorherrschende Leistungsschema sind in diesem Zusammenhang häufige Themen in der psychologischen Beratung. Wir leben in der Leistungsgesellschaft, die leider zu viel Druck erzeugt. Dadurch ist es umso wichtiger, gut auf die Selbstfürsorge zu achten.“ Setzen Sie sich bewusst mit der Frage auseinander: Was tut mir gut? Und versuchen Sie Ihre Ziele und Ihre Lebenssituation anzupassen. Wie es der Betroffenen Andrea gelungen ist, von Leistungsdenken und Perfektionismus zu mehr Gelassenheit zu finden, lesen Sie hier.
Achtsamkeit und Meditation
In den letzten Jahren haben Achtsamkeitsübungen, die sich an den buddhistischen Meditationen orientieren, immer stärker Fuß gefasst. Diese Meditations- oder Achtsamkeitsübungen wurden im Laufe der Zeit an die westliche Welt angepasst, so die klinische Psychologin. So geht es dabei nicht um reine Entspannungsübungen, sondern es geht dabei sehr wohl auch um die Akzeptanz dessen, was jetzt da ist. Also Ruhe zu finden, die Dinge jetzt so zu anzunehmen wie sie jetzt sind, erklärt die Expertin.
„Wenn ich lerne, etwas so zu akzeptieren wie es jetzt ist, weil ich es jetzt nicht verändern kann, dann schafft alleine das schon etwas mehr Ruhe in mir selbst. Das ist daher ein wichtiger Punkt, der auch in den Therapien immer mehr Fuß gefasst hat.“ Dr. Tesar-Pelz schildert aus ihrer Erfahrung, dass genau das den PatientInnen guttut, weil sie dadurch endlich spüren, dass nicht immer nur Leistung gefordert ist. „Es darf auch einfach mal so sein, wie es jetzt ist. Ich darf jetzt grantig sein oder ich darf jetzt auch einmal spüren, dass ich mir Dinge nicht so gut merke. Ich kann momentan nichts dagegen tun, aber ich kann es jetzt einfach einmal so nehmen wie es jetzt ist.“ In diesem Artikel erfahren Sie, wie Yoga zu mehr Entspannung und innerer Ruhe verhelfen kann. Das Erlernen geeigneter Strategien zur Stressbewältigung, zur Verbesserung der Gefühlsbewältigung sowie Meditationstraining spielen eine wichtige Rolle im besseren Umgang mit chronischen Erkrankungen.
Fazit
Nehmen Sie sich selbst den Druck und lenken Sie den Fokus statt auf Leistung, lieber auf Akzeptanz. So fällt es deutlich leichter, sich selbst so zu lieben, wie man ist und ein neues Selbstbewusstsein zu entwickeln. Welche Kompensations-Strategien im Alltag helfen können, trotz kognitiver Defizite gut zurechtzukommen, lesen Sie in diesem Artikel.
Quellen:
Klinikum Stuttgart: Psychische Reaktionen auf körperliche Erkrankungen
Ärzteblatt: Chronische Erkrankungen, eine seelische Herausforderung
Deine Apotheke: Wenn Krankheiten die Seele belasten
Springer: Psychische Gesundheit und Anpassung bei chronisch-körperlicher Erkrankung
M-AT-00002740| Titelbild: © Krakenimages.com/Adobe Stock