Wie so viele wünschte sich auch Schirin einen Partner, der sie in allen Lebenslagen unterstützt und liebt – egal ob sie MS hat oder nicht. Diesen Partner hat sie nach ihrer MS-Diagnose gefunden. Wie sich die beiden kennengelernt haben, was Schirin zuvor auch für negative Erfahrungen mit Beziehungen kurz nach der Diagnose gemacht hat und was ihre heutige Partnerschaft so stark macht, das hat uns Schirin im Interview erzählt.
Wenn Schirin zurückblickt, kann sie heute auch viele positive Dinge sehen, die durch die MS in ihrem Leben entstanden sind. An erster Stelle für Sie: ihre Partnerschaft. Denn ihren heutigen Partner lernte sie erst nach der Diagnose kennen und er hat ihr enorm dabei geholfen, einen gesunden Umgang mit sich und der MS zu finden. Schirin war so offen, ihre Erfahrungen zum Thema Partnerschaft mit uns zu teilen.
Zeit für neue Wege?
Kurz nach Schirins MS-Diagnose zerbrach ihre damalige Beziehung. Schirins Ex-Partner fühlte sich mit der Situation überfordert und meinte: „Ich schaffe das nicht.“ Dass ihr Partner, von dem Schirin sich eigentlich Rückhalt gewünscht hätte, in dieser schwierigen Situation das Handtuch warf, verletzte sie damals sehr: „Der springende Punkt war, dass mein Ex-Partner mich über die Krankheit definiert hat: Ich war für ihn nicht mehr Schirin, sondern nur noch die kranke Freundin, um die er sich jetzt kümmern muss.“
Heute kann sie die Trennung aber positiv sehen: „Wenn das damals nicht passiert wäre, hätte ich mich glaube ich viel weniger mit mir selbst auseinandergesetzt. Dafür war die Zeit alleine zwischen den beiden Beziehungen wichtig. Und ich hätte auch nicht meinen jetzigen Partner kennengelernt, der wirklich enorm unterstützend ist.“
Dating mit MS
Nach ihrer Trennung machte Schirin neue Bekanntschaften. Beim Daten stellt sich für viele Betroffene die Frage: Wie offen muss ich mit meiner MS-Erkrankung umgehen?
Für Schirin war klar: Man muss nicht jedem, den man kennenlernt, sagen, dass man MS hat – das geht auch nicht jeden etwas an. Man sollte sich also nicht dazu verpflichtet fühlen und selbst entscheiden, wann man sich wohlfühlt, mit dem Gegenüber über die MS zu sprechen. Schließlich braucht man eventuell erst eine stärkere Vertrauensbasis, meint Schirin: „Auch als ich meinen neuen Partner kennenlernte, habe ich ihm das nicht gleich gesagt. Erst als ich gemerkt habe, dass es etwas Fixes wird, habe ich ihm erzählt, dass ich eine chronische Erkrankung habe.“
Offenheit beim Kennenlernen
Als Schirins Freund von der MS erfuhr, reagierte er offen und fragte sie, wie sie die Erkrankung empfindet. Er begann dann sich auch selbst über die MS zu informieren. Schirin erinnert sich zurück: „Dass ich MS habe, hat meinen Wert in seinen Augen weder gemindert noch steigen lassen. Für ihn war ich trotzdem einfach ich – nur mit der Erkrankung. Er hat mich am Anfang ein paar Dinge gefragt, aber ich war damals noch nicht wirklich bereit, darüber zu reden. Das hat er akzeptiert. Ich habe mich dann erst nach und nach geöffnet.“
Zusammen Schritt für Schritt in eine positive Richtung
Als Schirin ihren heutigen Partner kennenlernte, war sie stark übergewichtig und lebte einen eher ungesunden Lebensstil, was sich auch negativ auf ihre Symptome auswirkte – sogar so weit, dass sie fast im Rollstuhl gelandet wäre. Ihr Partner hat extrem viel dazu beigetragen, dass sie heute viel gesünder lebt und dass es ihr deutlich besser geht: „Mein Partner hat mich sehr dazu animiert, mein Leben in eine gesündere Richtung zu lenken.“ Mehr dazu, wie Schirin es nach der Diagnose geschafft hat, ihr Leben wieder zum Besseren zu wenden, lesen Sie in diesem Artikel.
Die Umstellung verlief dabei Schritt für Schritt und mit viel Geduld: „Er ist mit mir zusammen spazieren gegangen. Ich habe am Anfang wirklich nur 400 m geschafft. Mittlerweile schaffen wir Strecken von 4 bis 5 km ohne zu sitzen und wir gehen Rad fahren.“ Auch die Ernährung haben die beiden gemeinsam umgestellt. „Ich bin mit meinem Partner jetzt seit 2 Jahren vegan und das hat mir extrem geholfen. Mir kommt vor, dass die Störungen, die davor sehr stark aufgetreten sind, jetzt einfach ein bisschen vermindert sind.“ Durch die vermehrte Bewegung in ihrem Leben und durch ihre Ernährungsumstellung gelang es Schirin, 80 kg abzunehmen. Im Nachhinein denkt sie, dass sie all diese Umstellungen ohne die Hilfe ihres Partners wohl nicht geschafft hätte.
Gemeinsam stark!
Nicht nur bei einem gesünderen Lebensstil hat Schirins Partner sie sehr unterstützt – er half ihr auch, ihrem Körper wieder mehr zu vertrauen und sich nicht zu sehr für unangenehme Symptome – wie beispielsweise ihre Blasenschwäche – zu schämen. Wie er sie dabei unterstützt, können Sie in diesem Artikel nachlesen, wo Schirin offen über ihre Blasen-Probleme spricht.
Eine Zeit lang hat sich Schirin auch nicht getraut, Treppen zu steigen, weil ihr Fuß öfter ohne Vorwarnung nachgibt und sie so schon die Stiegen runtergestürzt ist. Ihr Partner hat ihr geholfen, diese Ängste abzulegen: „Wenn ich Treppen steigen muss, sehe ich vor meinem inneren Auge richtig, wie ich runterfalle. Ich versuche dann aber das, wobei mir mein Partner geholfen hat: einfach meinem Körper wieder ein bisschen zu vertrauen.“
Sich Freiräume gönnen
Bei aller Liebe für ihren Partner ist es Schirin aber auch wichtig, sich Zeit nur für sich zu nehmen: „Alleinsein gibt mir enorme Kraft. Mein Partner und ich haben da eine Regelung: Er kommt aus Südtirol und fährt jedes zweite Wochenende nach Hause. Da bin ich mit mir alleine. Ich gehe dann in die Natur. Daraus ziehe ich enorm viel Energie, innere Ruhe und Ausgeglichenheit.“
Der Schlüssel: Kommunikation & Verständnis
Durch die MS ändert sich für viele der Alltag und oft rücken andere Prioritäten in den Vordergrund als zuvor. Wir haben Schirin gefragt, was für sie durch die MS in einer Partnerschaft wichtiger geworden ist. Ihre Antwort: „Kommunikation und Verständnis sind für mich sehr in den Vordergrund gerückt. Vor allem, wenn man erkrankt ist und der Partner ist gesund. Denn mich beschäftigen oder beeinträchtigen manchmal gewisse Dinge, die er vielleicht gar nicht so nachvollziehen kann.“
Füreinander da sein
Natürlich ist es nicht immer leicht, über jedes MS-bezogene Thema zu sprechen – besonders kurz nach der Diagnose sollte man als Partner/in Verständnis dafür haben, wenn die Person mit MS nicht darüber sprechen möchte. So ging es auch Schirin: „Am Anfang war es schwierig, weil ich bei diesem Thema sehr emotional war. Mein Partner konnte oft nicht mal die Frage richtig vollenden, ohne dass ich gleich völlig aus der Haut gefahren bin, muss ich offen zugeben. Aber heute reden wir wirklich über alles.“ Geben Sie Ihrem Gegenüber also Zeit, wenn er oder sie nicht gleich über die Erkrankung sprechen möchte. Weitere Tipps für für den Umgang mit Betroffenen kurz nach der Diagnose gibt Schirin in diesem Artikel.
Jeder kann also sein Beziehungsglück finden – egal ob mit oder ohne MS. Man muss nur zusammen nach den richtigen Zutaten suchen: Eine große Portion Liebe, Offenheit, um über die Dinge zu sprechen, die einen beschäftigen und ein guter Schuss gegenseitiges Verständnis.
M-AT-00002200| Titelbild: ©Vasyl/Adobe Stock