Alle reden davon und jeder hat es schon einmal verspürt – Stress! Aber was ist denn genau damit gemeint? Das verrät die Klinische Psychologin und Psychotherapeutin Mag. Dr. Natascha Tesar-Pelz im Interview.
Was ist Stress?
Man muss zwischen „gutem Stress“ (Eustress), der uns beflügelt und antreibt und „negativem Stress“ (Distress), der uns überfordert und auslaugt unterscheiden. Ob Ereignisse oder Anforderungen als unangenehm empfunden werden, hängt von der kognitiven Bewertung jedes einzelnen ab. Stress ist ein Ungleichgewicht zwischen den inneren und äußeren Anforderungen an die Person und deren Möglichkeiten, darauf zu reagieren.
Bei beiden Arten werden vermehrt Hormone wie Adrenalin, Noradrenalin und Kortisol ausgeschüttet. Der Blutdruck steigt, die Muskeln werden angespannt, der Muskeltonus nimmt zu. Während der akute Stress für eine Verbesserung des Abwehrsystems im Körper sorgt, hat der chronische Stress genau das Gegenteil zur Folge. Der andauernde Alarmzustand zehrt an den körperlichen und psychischen Reserven. Die Folgen sind Unruhe, Erschöpfung und depressive Reaktionen.
Bei länger anhaltendem Stress kann es durch die Effekte von Stresshormonen zu leichten oder schwereren Erkrankungen kommen. Es ließ sich nachweisen, dass bei chronischen Stressbelastungen z.B. das Immunsystem geschwächt wird, es zu Erkältungskrankheiten und Müdigkeit kommt, sich die Wundheilung verlangsamt, Depressionen entstehen, die Gefahren für Magen-Darm-Erkrankungen, Schlaganfälle und Herz-Kreislauferkrankungen sich erhöhen.
Welche Auswirkung kann Stress auf MS haben?
Der Zusammenhang zwischen Stress und dem Beginn einer Multiplen Sklerose ist in mehreren Studien untersucht worden. Ob MS nun durch chronischen Stress ausgelöst wird, kann aktuell noch nicht klar beantwortet werden. Dazu ist die Krankheit MS auch zu komplex angelegt.
Andere Studien gingen der Frage nach, ob Stress den Verlauf einer MS negativ beeinflussen kann. Forscher der Charité in Berlin haben die Verbindung von stressinduzierter Hirnaktivität und MS genauer untersucht. Mittlerweile sind viele der Ansicht, dass Stress bei MS zur Eskalation von Entzündungsprozessen führen kann, was in eine Beschleunigung des Krankheitsverlaufes mündet.

Mag. Dr. Natascha Tesar-Pelz
Anhand der Untersuchungen ließ sich eine mögliche Verbindung zwischen stressbedingter Aktivität in bestimmten Gehirnregionen und dem Verlust an Hirnvolumen (Hirnatrophie) einerseits und der kognitiven und motorischen Beeinträchtigungen andererseits nachweisen. Die Forscher schränken jedoch ein, dass sich der Zusammenhang von reduziertem Hirnvolumen und stressbedingter Hirnaktivität nicht ausschließlich aus einer gesteigerten Stresssensitivität als Folge der Erkrankung herleiten lässt.
Was sind Ihre Tipps für einen verbesserten Umgang mit Stress?
Finden Sie heraus, was Sie genau stresst. Denn nur dann können Sie geeignete Strategien entwickeln.
Überdenken Sie Ihr Zeitmanagement. Setzen Sie Prioritäten und überlegen Sie, wieviel Zeit die Erledigung der Dinge benötigt. Bauen Sie Zeitpuffer ein.
Grenzen setzen – abgrenzen, auch einmal „nein“ sagen zu anderen und bei sich selbst darauf achten, sich nicht zu viel vorzunehmen. Weniger ist auch oft genug!
Setzen Sie sich nicht durch Versagensängste oder Perfektionismus unter Druck. Versuchen Sie derartige Gedanken und Gefühlen aufzuspüren und ihnen durch alternative Gedanken oder Verhaltensweisen entgegenzuwirken. Z.B. bei dem Gedanken – „das muss ich perfekt machen“, versuchen Sie es doch mit dem Alternativgedanken – „ich versuche es möglichst gut zu machen“.
Gönnen Sie sich Ruhezeiten, in denen Sie genau das tun, was Ihnen guttut. Zum Beispiel eine Tasse aromatischen Tee trinken, ein Vollbad nehmen, sich bewusst die Lieblingsmusik anhören, sich Zeit für ein gutes Buch nehmen.
Bauen Sie Entspannung und Achtsamkeit in Ihr Leben ein, z.B. durch Entspannungsmusik oder Entspannungsübungen, Achtsamkeit im Tun (einen Schritt nach dem anderen bei der Durchführung von Tätigkeiten setzen), zwischendurch Bauchatmung durchführen (bewusstes Ein – und Ausatmen, so dass der Bauch sich hebt und senkt und dabei länger ausatmen als einatmen).
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