Dr. Tesar-PelzEs fällt Ihnen manchmal schwer Gesprächen zu folgen oder im Alltag an alle Dinge zu denken, die Sie erledigen oder besorgen wollten? Kein Grund für falsche Scham – Sie sind damit nicht alleine. Nahezu die Hälfte aller Menschen mit MS klagen im Verlauf ihrer Erkrankung über Gedächtnisprobleme oder andere kognitive Defizite. Die gute Nachricht: Neben kognitivem Training und anderen Therapiemöglichkeiten helfen im Alltag vor allem praktische Tipps. Lesen Sie hier, welche Tricks uns die Klinische Psychologin und Psychotherapeutin Dr. Natascha Tesar-Pelz im Gespräch verraten hat, die Ihrem Gedächtnis auf die Sprünge helfen.

Sich zu helfen wissen

Zu Beginn der Therapie steht vor allem das kognitive Training im Vordergrund, gleichzeitig ist aber ebenfalls sehr wichtig, sich Kompensationsmechanismen anzueignen, so Klinische Psychologin Dr. Tesar-Pelz. Einfach, weil man quasi nicht alles ‘wegtherapieren’ kann und weil es einem den Alltag sehr erleichtert, wenn man weiß, mit welchen Strategien man sich helfen kann, um nichts zu vergessen – auch ohne MS. Dazu möchte die Expertin Ihnen folgende praktische Tipps zu den unterschiedlichen vier kognitiven Bereichen an die Hand geben:

1. Tipps für den Bereich ‘Gedächtnis’

Um der Vergesslichkeit entgegenzuwirken, helfen im Alltag folgende Tricks:

  • Notizbuch & Kalender: Wenn Sie Schwierigkeiten haben, sich Dinge zu merken, nehmen Sie Notizbücher zu Hilfe und arbeiten Sie mit Terminkalender-Einträgen, ob in Papierform oder digital. 
  • Bewusste Konzentration: Versuchen Sie sich bewusst auf das zu konzentrieren, was Sie gerade machen wollen. 
  • Laut vorsagen: Sprechen Sie Dinge, die Sie sich merken möchten, laut aus, so wird es meist besser im Gehirn abgespeichert. 
  • Fixe Aufbewahrungsorte: Geben Sie wichtige Dinge wie den Schlüssel immer an den gleichen Ort. Hat alles seinen fixen Platz, spart man sich lästiges Suchen.
  • Visualisieren: Wurde beim Einkauf die Einkaufsliste vergessen, hilft es sich vorab den Weg durch den Supermarkt zu visualisieren, um tatsächlich alles zu kaufen. Ich überlege mir also zum Beispiel, ich möchte Bananen, Milch, Olivenöl und Waschmittel einkaufen, und stelle mir dabei schon vor, wie ist der Weg ist. Wo komme ich zuerst im Geschäft rein, etwa beim Obst oder bei den Waschmitteln, und ich stelle mir den Weg bildlich vor, wie ich planmäßig weitergehen muss, um diese Dinge zu finden.“ Das sind sehr nützliche Hilfsstrategien für das Gedächtnis, betont Dr. Tesar-Pelz. 

2. Tipps für eine bessere Aufmerksamkeit

Für diesen zweiten kognitiven Bereich sind vor allem ausreichende Erholungsphasen von Bedeutung, weiß die Klinische Psychologin. So ist beispielsweise auch guter Schlaf wichtig für eine entsprechende Gedächtnisleistung im Alltag

  • Wiederholte Ruhepausen: Gönnen Sie sich jeweils nach einer gewissen Arbeitssequenz oder -dauer eine Ruhepause von 10 bis 15 Minuten. Diese Ruhepausen sind wirklich wichtig, denn unser Gehirn kann sich nicht stundenlang gleich gut auf eine Sache konzentrieren. Es braucht Pausen, vielleicht auch mit ein bisschen Bewegung, um wieder frischer zu werden und gut weiterarbeiten zu können, rät Dr. Tesar-Pelz.
  • Ungestörter Arbeitsplatz: Arbeiten Sie möglichst an einem ruhigen Ort mit wenig Hintergrundgeräuschen. 
  • Klare Ordnung: Versuchen Sie, eine klare Struktur bei Ihrer Arbeit einzuhalten. So haben Sie einen besseren Überblick und können sich dadurch auch besser konzentrieren. 

3. Bessere Handlungsplanung

Der kognitive Bereich der Handlungsplanung hängt auch teilweise mit dem Bereich ‘Gedächtnis’ zusammen. So können Sie sich im Alltag helfen: 

  • Arbeitsschritte im Vorfeld überlegen: Ob es um den Tagesablauf geht oder ob Sie etwas kochen möchten, denken Sie sich die einzelnen Schritte und Tätigkeiten zuvor in Ruhe der Reihen nach durch. Wie fange ich an, was kommt dann, was ist der nächste und der übernächste Schritt … erläutert die Expertin. 
  • Ruhe und Aufmerksamkeit sind für diese bewusste Handlungsplanung natürlich ebenso erforderlich. Dann gelingt es viel besser, die verschiedenen Schritte in Gedanken durchzugehen.

4. Tipps zur räumlichen Orientierung im Alltag

Den letzten kognitiven Bereich stellt die räumliche Orientierung dar. Manche Menschen haben eine gute Orientierung und manche einfach weniger, betont Dr. Tesar-Pelz. Das kann man auch schwer ‘wegtherapieren’. Stattdessen ist es gerade hier wesentlich zielführender, verstärkt mit Kompensation zu arbeiten.

  • Straßenkarte im Vorfeld einprägen: Wenn Sie wo hinfahren möchten, versuchen Sie sich vorher die Straßenkarte gut einzuprägen. 
  • Abzweigungen notieren: In diesem Zusammenhang hilft es außerdem, sich die Abfahrten und Kreuzungen aufzuschreiben. 
  • Markante Punkte: Das Merken oder Notieren markanter Punkte hilft sowohl bei Fußwegen als auch bei Autofahrten den Rückweg problemlos zu finden. Solche Punkte können Gebäude, Geschäfte oder auch Reklametafeln sein. So wissen Sie, wo sie wieder vorbeigehen oder abbiegen müssen. 
  • Straßennamen notieren: Auch wenn es vielleicht banal klingt, notieren Sie sich den Straßennamen beziehungsweise im Parkhaus den Eingang, die Etage sowie die Nummer des Parkplatzes oder machen Sie ein Foto davon. Sie werden Ihr geparktes Auto viel leichter wiederfinden.

Fazit

Ob mit oder ohne MS – probieren Sie einfach nach und nach aus, welche der Tipps Ihnen im Alltag am besten helfen. Und geben Sie sich bitte die nötige Zeit, damit diese Strategien zu neuen Gewohnheiten werden können, so der abschließende Rat der Klinischen Psychologin.

M-AT-00002686| Titelbild: © Krakenimages.com/Adobe Stock

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