Immer mehr Menschen entscheiden sich dazu, vermehrt auf tierische Produkte zu verzichten – auch bei MS. Doch wie kann man sichergehen, dass man bei einer vegetarischen oder veganen Ernährung gut mit allen wichtigen Nährstoffen versorgt ist?
Im ersten Teil haben die Diätologinnen Frau Hofmann und Frau Nestler bereits beantwortet, ob eine vegetarische Ernährung für Menschen mit MS generell empfehlenswert ist und wie sie sich gesund gestalten lässt. Doch auf welche Nährstoffe sollte man dabei besonders achten? Und in welchen Lebensmitteln stecken sie drin? Das verraten die Expertinnen uns hier.
Kritisch bei pflanzlicher Ernährung: Vitamin B12
„Bei der vegetarischen und veganen Ernährung ist vor allem wichtig, darauf zu achten, dass der Vitamin-B12-Bedarf gedeckt ist, weil das Vitamin nur in den tierischen Produkten in ausreichender Menge enthalten ist“, so Frau Hofmann. Ernährt man sich vegetarisch, sind zwar auch Eier und Milchprodukte Vitamin-B12-Quellen. Aber um den Bedarf zu decken, müsste man diese in so großen Mengen essen, dass das wiederum Entzündungen fördern könnte, weiß die Expertin.
So bleibt VeganerInnen und VegetarierInnen oft nur die Option, Vitamin B12 über Nahrungsergänzungsmittel zuzusetzen. Das sollte man aber gezielt tun – also nur, wenn anhand einer Blutuntersuchung ein Mangel festgestellt wurde, so die Diätologinnen.
Vitamin B12 kann nämlich auch gespeichert werden: „Es gibt einen Vitamin-B12-Pool in unserem Körper. Dieser hält sich für gewöhnlich über ein paar Jahre – dann beginnt er sich langsam abzubauen”, so Frau Hofmann. Ist dieser aufgebraucht, kann jedoch leicht unbemerkt ein Mangel entstehen. Die Diätologinnen empfehlen daher VegetarierInnen und VeganerInnen, mindestens einmal im Jahr den Titer für Vitamin B12 mit Hilfe einer Blutuntersuchung zu überprüfen.
Auf die richtigen Fette setzen
Besonders bei MS lohnt es sich, in den Speiseplan genügend Omega-3-Fettsäuren einzubauen, meint Frau Nestler – denn diese können entzündungshemmend wirken und so den Schubverlauf positiv beeinflussen.
Gute Nachricht für VegetarierInnen und VeganerInnen: Der Omega-3-Bedarf lässt sich nicht nur durch Fisch, sondern auch durch pflanzliche Quellen wie gewisse hochwertige pflanzliche Öle, Nüsse und Samen decken, wissen die Diätologinnen. Es sei jedoch wichtig, diese Lebensmittel möglichst regelmäßig in den Speiseplan einzubauen. „Die höchste Konzentration findet man im Leinöl“, so Frau Hofmann.
Gute pflanzliche Omega-3-Fettsäure-Quellen:
Öle:
– Leinöl
– Walnussöl
– Rapsöl
– Hanföl
– Chia-Öl
Nüsse und Samen:
– Walnüsse
– Leinsamen
– Hanfsamen
– Chiasamen
Was man daraus zum Beispiel zaubern kann, sehen Sie am Ende des Artikels: Dort wartet ein leckeres vegetarisches Rezept auf Sie.
Beim Kochen empfehlen die Expertinnen daher gerade bei MS, hauptsächlich auf Rapsöl zurückzugreifen. Denn dieses enthält die wichtigen Omega-3-Fettsäuren und bleibt auch beim Erhitzen stabil. Die anderen genannten Omega-3-reichen Öle sollte man besser kalt genießen.
Ein weiterer Tipp der Diätologinnen: Schauen Sie bei veganen Butterersatz-Produkten wie Margarine genau auf die Zutatenliste. Greifen Sie dabei eher zu Produkten, die auf Basis von Rapsöl hergestellt wurden und weniger zu solchen auf Palmöl- oder Kokosöl-Basis – denn diese können sich negativ auf das Cholesterin-Level auswirken.
Eisen – auch ohne Fleisch?
Ein weiterer Nährstoff, bei dem es durch eine vegetarische oder vegane Ernährung häufig zu einem Mangel kommt, ist laut den Diätologinnen das Eisen. Fleisch als gute Eisenquelle fällt dabei schließlich weg. Zwar steckt Eisen auch in gewissen pflanzlichen Lebensmitteln, aber daraus wird es häufig nicht so gut aufgenommen, so die Diätologinnen.
Expertinnen-Tipp: Sie können die Eisenaufnahme verbessern, indem Sie Vitamin-C-reiche Lebensmittel dazu essen – zum Beispiel Zitrusfrüchte, Paprika oder Beerenfrüchte.
Viel Eisen steckt zum Beispiel in grünem Gemüse, weiß Frau Hofmann. „Auch Nüsse, Samen, Amaranth, Quinoa und Hirse können Eisen liefern – aber die Aufnahme ist da eher spärlich“, meint sie.
Nicht nur für Pumper wichtig: Eiweiß
Bei einer pflanzenbasierten Ernährung ist es außerdem wichtig, darauf zu achten, genügend Eiweiß in den Speiseplan einzubauen. „Grundsätzlich kann das Eiweiß aus tierischen Produkten besser verwertet werden. Das bedeutet aber nicht, dass es mit einer vegetarischen Ernährung nicht möglich wäre, den Eiweißbedarf zu decken. Etwas schwieriger ist es bei der veganen Ernährung”, so Frau Nestler.
Expertinnen-Tipp: Bauen Sie möglichst bei jeder Mahlzeit eine Eiweißquelle ein.
Denn laut dem aktuellen Stand der Wissenschaft, kann der Körper nur eine gewisse Menge Eiweiß pro Mahlzeit aufnehmen. Wenn nur eine Mahlzeit am Tag Eiweiß enthält, kann man damit den Bedarf also nicht decken, gibt sie zu bedenken. Nimmt man zu wenig Eiweiß zu sich, baut der Körper Muskelmasse ab und es besteht die Gefahr einer Mangelernährung, so Frau Hofmann.
Eine besonders gute pflanzliche Eiweißquelle sind Hülsenfrüchte – zum Beispiel Bohnen, Linsen, Kichererbsen und Sojaprodukte wie Tofu. „Auch in Getreideprodukten und Nüssen steckt ein gewisser Eiweißanteil, aber davon müsste man eine sehr große Menge essen, um den Bedarf zu decken”, so Frau Hofmann.
Starke Knochen durch genügend Kalzium
Bei der vegetarischen Ernährung ist man meist gut mit Kalzium versorgt, da hier auch die kalziumreichen Milchprodukte auf dem Speiseplan stehen. Ernährt man sich rein vegan, ist es jedoch deutlich schwieriger, den Bedarf zu decken, wissen die Diätologinnen.
Bei einer schlechten Kalzium-Versorgung steigt das Osteoporose-Risiko, warnt Frau Hofmann. Weitere wichtige Informationen zum Thema Knochenschutz finden Sie hier.
Expertinnen-Tipp für VeganerInnen: Greifen Sie zu pflanzlichen Milchersatz-Produkten, die mit Kalzium angereichert sind.
„Auch Samen und Nüsse wie Mandeln und Kürbiskerne können eine Kalziumquelle sein”, so Frau Nestler. Eine gute Ergänzung ist laut Frau Nestler auch der Einsatz von kalziumreichem Mineralwasser und mit Kalzium angereicherten Fruchtsäften – bei den Säften sollte man aber nicht mit der Menge übertreiben.
Vitamine in Tablettenform – nur mit Maß und Ziel
Sollen also VeganerInnen automatisch Nahrungsergänzungsmittel einnehmen? Frau Hofmann stellt klar: „Nahrungsergänzungsmittel sollten generell nie ohne ärztliche Absprache eingenommen werden. Wenn man sieht, es besteht ein Mangel, dann gilt es, den gezielt auszugleichen.”
Die Diätologinnen empfehlen dabei auf Nahrungsergänzungsmittel in Apothekenqualität zurückgreifen. Denn Drogerieprodukte werden laut Frau Hofmann nicht so regelmäßig kontrolliert und enthalten häufig Verunreinigungen. Sie rät außerdem von Produkten ab, die versprechen, viele Nährstoffe in einer Tablette abzudecken: „Multivitaminpräparate sind sehr ungeeignet, weil sich die Inhaltsstoffe meistens gegenseitig beeinflussen und immer nur die „starken” Vitamine durchkommen und die „schwachen” Nährstoffe, wie beispielsweise das Eisen, vom Körper so kaum aufgenommen werden können.”
Auch sollte man nicht unbedacht über längere Zeit supplementieren: „Gehen Sie, wenn Sie ein Nahrungsergänzungsmittel einnehmen, nicht nur einmal im Jahr zur Blutuntersuchung, sondern zwei- oder dreimal im Jahr. So kann man überprüfen, wie der Körper das Nahrungsergänzungsmittel aufnimmt.” Denn man kann durchaus auch zu viel des Guten einnehmen: Der Körper lagert gewisse Vitamine bei einer Überdosierung ein und das kann sogar zu einer Vergiftung führen, warnt Frau Hofmann.
Expertinnen-Tipp: Wir empfehlen vegan lebenden Menschen, mindestens einmal im Jahr zur Blutuntersuchung zu gehen und ein ganz großes Blutbild machen zu lassen.
Dabei sollten laut den Diätologinnen speziell bei VeganerInnen alle Vitamine sowie die Eisen-, Eiweiß- und Kalziumwerte überprüft werden. So bleiben Sie auch mit einer pflanzlichen Ernährungsweise gut versorgt.
Rezept
Hanfaufstrich
Zutaten:
– 4 EL Skyr oder Topfen
– 50 g Cottage Cheese natur
– 50 g Frischkäse natur
– 2 Stangen Jungzwiebeln
– 5 EL Hanfnüsse
– 1 TL Hanföl
– Salz, Pfeffer
Zubereitung:
Jungzwiebeln waschen und in feine Ringe schneiden. Alle Zutaten gut miteinander vermengen und mit Salz und Pfeffer abschmecken.
M-AT-00001989 | Titelbild: © nadianb/Adobe Stock | Portrait Interviewpartnerinnen: © Gerald Kührer von Capture.Aldo